Joel Haahtela: Sehnsucht nach Elena

18. April 2010 | von

HaahtelaElenaDer Roman beginnt so:
Gleich kommt sie. Noch kann ich sie nicht sehen, höre aber beinah ihre Schritte. Sie hallen über das Pflaster, kurz bevor der Sand ihr Echo schluckt. Immer auf die gleiche Weise, immer überraschend. Als käme sie aus dem Nichts.
Auch gestern saß ich hier, genau wie am Tag zuvor. Sie nimmt mich kaum wahr, obwohl der Park zu dieser Morgenstunde menschenleer ist. Die Bank steht etwas abseits unter einer Kastanie.

Da sitzt der Erzähler also, auf der Bank unter der Kastanie im Park, und wartet auf Elena. Vorgestern, gestern und heute. Und morgen und übermorgen. Dass sie Elena heißt, weiß er noch nicht, er erfährt es im Laufe der Zeit zufällig. Tag für Tag sitzt er da und sehnt sich nach Elena, er weiß, wann sie durch den Park kommt, sieht sie vorbeigehen, spricht sie nicht an, tut auch sonst nichts. Er hat nur diese Sehnsucht, da zu sein und sie zu sehen. Und dann geht er durch die Stadt oder nach Hause und sieht aus dem Fenster in den Garten. All das in sehr kurzen, sehr einfachen Sätzen, hervorragend aus dem Finnischen übersetzt von Sandra Doyen – manchmal nerven so kurze Sätze ja, hier nicht, hier funktionieren sie, sie ergeben einen fast schon hypnotischen Rhythmus. Man sieht mit dem Erzähler zusammen irgendetwas und denkt dabei nicht viel.
Eines Tages kommt Elena nicht, und am nächsten Tag auch nicht, und am übernächsten nicht. Und er macht sich auf die Suche. Jedes Wort, was ich noch weiter über die Geschichte erzählen würde, wäre zu viel; lange Zeit passiert nur wenig. Und egal, wie dezent ich etwas über das Ende andeuten würde, es wäre zu viel, denn Ihr sollt das selbst lesen, unbedingt. Es sind nur 150 Seiten, und die meisten davon sind nur halb voll.
„Sehnsucht nach Elena“ ist jetzt schon ein Anwärter, ein Lieblingsbuch des Jahres zu werden. Selten so ein großartiges Ende gelesen. Und wenn man fertig ist, will man gleich vorne wieder anfangen. Nicht aus lauter Trauer, dass es vorbei ist, sondern, um sich noch mal zu vergewissern.

Joel Haahtela bekommt einen Regalplatz zwischen Woodie Guthrie und Wolf Haas.

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