So ein Schmarrn

17. July 2010 | von

Philip Roth, The Humbling

Paul Auster und Philip Roth kriege ich ständig durcheinander, tut mir leid. Mit beiden machte ich erste Bekanntschaft in einer Amerikanistikübung zu zeitgenössischer Literatur bei Prof. Zapf. Wir trafen uns dazu abends in einem Biergarten, der mittlerweile einer Umgehungsstraße gewichen ist, in jeder Sitzung wurde ein Roman besprochen. Das ist deshalb erwähnenswert, weil in Literaturseminaren an deutschen Universitäten drei bis vier Romane pro Semester als die Obergrenze dessen gelten, was einem Studenten zuzumuten ist (don‘t get me started) – es handelte sich also um eine Streberveranstaltung (für die es nicht mal einen Schein gab). Die Werke der beiden Herren besprachen wir in aufeinander folgenden Sitzungen, und seither kriege ich sie durcheinander. Ich wusste nur, dass mir der eine Roman gefallen hatte (recht abgefahrene Erzähltechnik) und der andere nicht (irgendwas über einen alten Mann mit Potenzproblemen). Meine Leseumgebung der vergangenen Jahre vermittelte mir, dass Paul Auster doof sei und Philip Roth bemerkenswert, also glich ich meine Erinnerungen an. Sie werden jetzt natürlich fragen, warum ich nicht einfach ins Regal gegriffen habe, um das zu verifizieren. Was soll ich sagen – es hat sich halt nicht ergeben.

Nachdem ich jetzt The Humbling von Philip Roth gelesen habe, werde ich die beiden nie wieder verwechseln. Denn es war Philip Roth mit The Counterlife, in dem über viele Seiten wehleidig über das männliche Altern gejammert wurde (das Bayrische bietet für diesen Tonfall das schöne „wuislat“), wie vorher schon in Zuckerman unbound, und dann ist der Protagonist auch noch Schriftsteller. Dazwischen viel Erotik.

In The Humbling ist der alternde Mann zur Abwechslung Schauspieler, außerdem ist das sehr luftig gesetzte Buch nur 140 Seiten dick. Wir kriegen also dasselbe im Zeitraffer: Schauspieler im Rentenalter verliert Fähigkeit schauzuspielen, wird depressiv, von Frau verlassen, beginnt heiße Affäre mit junger bis dahin Lesbe, das klappt aber nicht, bringt sich um (ups, jetzt habe ich das Ende verraten). Dazwischen viel Erotik. Beim abschließenden Zuklappen des Romans ging mir einzig das Resumee durch den Kopf, das ich als Überschrift verwendet habe.

Während ich in meiner Ausgabe von The Counterlife wenigstens noch ein paar Anstreichungen zu literaturtheoretisch relevanten Passagen gefunden habe, bietet The Humbling nicht mal das. Zumindest macht es sprachlich nichts falsch, Herr Roth kann Handwerk (und muss schließlich die Miete reinkriegen; für die Veröffentlichung eines Romans ein besserer Grund als viele andere).

Und weil in Konsequenz der andere das Buch geschrieben haben muss, das mir 1993 im Seminar gefiel, gehe ich jetzt hin und lese nochmal Paul Austers New York Trilogy.

14 Responses to “So ein Schmarrn”

  1. Modeste Says:

    Philip Roth hat mich noch nie überzeugt. Ich versuche es alle paar Jahre, aber die Probleme der Protagonisten sind nicht meine Probleme, ihre Träume nicht meine Träume, und es gelingt mir nicht für fünf Pfennig, diese Distanz auch nur für die Dauer eines Taschenbuchs zu verringern.

  2. Vorspeisenplatte » Blog Archive » Journal Samstag, 17. Juli 2010 Says:

    [...] [...]

  3. Not quite like Beethoven Says:

    Meine vollste Zustimmung was Roth angeht! Wobei, das mit dem Schreibhandwerk und der Miete ist auch wahr — und es gibt sicher eine Zielgruppe.

  4. maz Says:

    Naja, ich finde die Kritiken zu Roth als Schriftsteller hier ziemlich anmaßend (man sagt ja auch nicht, Kafka sei talentiert gewesen;-). Für mich ist Philip Roth einer der größten lebenden Autoren. Er schafft es, mich in die Abgründe, die sich in der Seele eines -jetzt kommt’s- Mannes tagein, tagaus auftun, einzuführen, ohne dumm herumzupsychologisieren. Den neuen dünnen Roman habe ich gerade angefangen zu lesen (Frau+Kind im Urlaub= wieder Zeit zum Lesen) und der Anfang ist vielversprechend.

  5. Kaltmamsell Says:

    Oh, wir sind die Leser, maz. Und wenn mich das dritte Buch desselben Autors lediglich an die anderen beiden erinnert und das aufs Langweiligste, halte ich ihn möglicherweise für nicht mal talentiert – was ist daran anmaßend?

  6. maz Says:

    Ganz lustig wäre es jetzt, wenn die beiden anderen Bücher nicht von Roth, sondern von Auster wären.

  7. Anselm Says:

    Ich habe heute das erste Kapitel von “The Humbling” im Buchladen gelesen. Die Ausgangsidee “Schauspieler über 60 kann plötzlich nicht mehr schauspielern” klang für mich bereits beim Lesen der kaltmamsellschen Rezension wie eine Übungsaufgabe aus dem Kreativ-Schreiben-Kurs. Interessanterweise passt der Stil des ersten Kapitels zu dieser Assoziation. Ich musste von der Buchhändlerin geweckt werden. Davon abgesehen: Ich glaube nicht, dass es wirklich große Literatur gibt, die nur ein Geschlecht anspricht. Wenn Roth die Abgründe in der Seele eines Mannes trefflich zu beschreiben wüsste, wären Kaltmamsell und Modeste gewiss zutiefst daran interessiert, einmal vorausgesetzt, dass es so etwas wie spezifisch männliche und weibliche Abgründe gibt, was ich ebenso bezweifle, wie die Möglichkeit, etwas zu verpassen, wenn ich das Verhältnis des Ex-Schauspielers zur Ex-Lesbe links liegen lasse und mich wieder dem “Herztier” von Herta Müller zuwende.

  8. maz Says:

    Naja, Anselm, du hättest doch weiterlesen sollen, dann hättest du auch verstanden, was ich meine. Wie dem auch sei, an Kaltmammsel Kritik, dass Roth irgendwie berechenbar sei, ist was dran. Aber, auch wenn er seinem Sujet meistens treubleibt, so teile ich nicht die Meinung, dass Herr Roth nur Identisches fabriziere. Gerade das letzte Buch ist ein starkes Beispiel für das Können (und nicht nur handwerkliches!) des dieses Schriftstellers. Schnitzlerhafte -aber nicht so verschämt- Gestalten, deren Oberflächen kaum deren Obzessionen widerspiegeln können.
    Wir sehen Menschen, wie sie tagtäglich funktionieren, wir betrachten sie nahezu pornographisch in den Medien und gelegentlich um uns, meinen alles über sie (damit über uns) zu wissen, wissen aber dabei gar nichts!
    Wir wissen nichts. Davon handelt die “Demütigung” (seit Westerwelles und Oetingers Auftritt habe ich aufgegeben, so tun, als könnte ich vernünftig Englisch, und lese deshalb konsequent deutsche Übersetzungen – die Übersetzer übersetzen bestimmt besser als ich;-).
    Roth Alterswerk zeigt, dass einer, der alle Facetten des Menschlichen gezeichnet hat- und dies oft mit äußerster Präzision-, die Opazität nur durchdringen kann, wenn er dem Leser anbietet, dass dieser bitteschön selbst das Figurenhafte durchbreche. Oder irgendwie so was in der Art.
    Wie dem auch sei, ansonsten finde ich schon, dass es Weltliteratur (was immer das auch heißen mag) gibt, die Männer und Frauen anders rezipieren. Das ist nichts Schlimmes. Und das simple Seelenleben eines Mannes einer Frau nahezubringen oder noch besser: die einer Frau einem Mann, daran, glaube mir Anselm, scheitert sogar der liebe Gott.

  9. Katia Says:

    Danke Kaltmamsell – man traut sich ja kaum zu sagen, dass man das Buch für “Schmarrn” hält, ährend all die überregional rezensierenden, alternden Männer Roth-Buch um Roth-Buch für sein “genialstes Werk” halten.

  10. Anselm Says:

    Lieber maz,

    dein Wort in Gottes Ohr ;0).

  11. engl Says:

    Gott ist gescheitert? Ist das so? Wußte ich noch gar nicht. ;-)

  12. maz Says:

    Es gibt sogar welche, die sagen, er sei tot (aber psst).

  13. Vorspeisenplatte » Blog Archive » Gemischte Funde Says:

    [...] [...]

  14. Anonymous Says:

    [...] [...]