Lob der Faulheit
27. January 2011 | von englAnleitung zum Müßiggang, Tom Hodgkinson
Diese elende Welt ist eingeteilt in Leistungsträger und Minderleister, in Sieger und Versager also, in Schwätzer und Schweiger nicht zuletzt. So zumindest scheint es mir in letzter Zeit. Zudem verkommt das Buchstabengepixel im Internet, genau wie auch Edelgedrucktes auf Papier, mehr und mehr zu einer doch recht armseligen Meinungsverkündigung. ICHICHICH, in enge Schleifen gelegt, schließlich muss alles nicht nur einmal, sondern am besten gleich hundertfach irgendwo verewigt sein. Und zwar einzig und allein, weil man es angeblich jetzt endlich wieder darf. Was auch immer damit gemeint sein mag.
Ich bin ratlos, was solcherlei Eifer angeht. Ich bin hilflos, immer wenn es ums Rennen und Siegen geht. Erste sein, vermutlich bin ich dazu zu alt. Eigentlich war ich aber schon immer so. Oberflächlichkeit liegt mir nicht, das haben nicht zuletzt die Bücher mir ausgetrieben. Obwohl Buch noch lange nicht Buch ist, wie wir alle im letzten Jahr schmerzlich lernen durften. Zumindest, was den Sachbuchbereich angeht.
Kein Wunder, dass ein erfolgreiches Buch über Faulheit und Trödelei, über Pausen und andere Zwischenzustände nicht in Deutschland geschrieben werden konnte. Sondern selbstverständlich in England, dem Land der Sonderlinge. Da, wo das Anderseins offensichtlich noch Substanz hat und nicht gleich unbesehen auf den Müll geschaufelt wird.
Tom Hodgkinson ist bekennender Müßiggänger, distanziert sich von jeglicher Beschäftigung der sinnlosen Art, kümmert sich dafür aber intensiv um den Bestand seiner freien, langsamen Stunden. So ist das Buch dann auch in 24 Kapitel eingeteilt, eines für jede Stunde des Tages. Angefangen mit der Qual des Aufwachens geht es im dritten Kapitel bereits um das Liegen bleiben und zur Mittagszeit um die Pflege des am Tag zuvor erworbenen Katers. Später dreht es sich noch um Essen und Trinken, Rauchen und Angeln und um alle nur denkbaren Formen von Schlaf. Hodgkinson rühmt das Denken und Träumen, er schraubt Zitate, eigene Gedanken und historische Gegebenheit in absurder Weise zusammen. Manchmal treibt er das Spiel ein bisschen weit, ein wenig eindimensional auch. So stellt die Erfindung der Glühbirne für ihn einen der größten symbolischen Siege in der Schlacht zwischen Fleiß und Nichtstun dar. (Also eigentlich eher eine Niederlage, fällt mir gerade auf. Das ist dann doch wieder amüsant. ;-)
Des Pudels Kern ist leicht ausgemacht: Hodgkinsons stiller aber stetiger Kampf gilt der Fremdvernichtung seiner Zeit durch sinnfreie Tätigkeit, vor allem natürlich durch Arbeit, die ihm keineswegs natürlich erscheint. Das verstehe ich gut, ich gebe es zu. Ich bin nicht faul, aber eigenwillig. Und ein eigener Wille reicht mitunter, um als Misserfolg gedeutet zu werden. In dieser elenden Welt zählt eben nur, was zählbar ist. Das gilt jedoch in beide Richtungen. Leider verliert der Autor gerne die Existenz einer real existierenden Armut aus den Augen. Seine Ausführungen dazu kommen ein wenig dürftig, beinah bläuäugig daher. Das Credo, man könne immer auch von weniger leben, findet schließlich schnell seine natürliche untere Grenze. Zumindest, was die persönliche Freiheit angeht. Aber sonst? Ein feines englisches Gegenstück zu preußischen Tugenden aller Art.
Hodgkinson ist inzwischen ein gemachter Müßiggänger im Süden Englands, wo dies nicht allzu schwer fällt. Es gibt mehrere Bestseller und ein eigenes Magazin. Das heißt natürlich The Idler und die Schnecke ist Kult, soweit ich weiß.
27. January 2011 at 19:09
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28. January 2011 at 15:13
gefällt mir gar sehr, werde ich mir besorgen. titelbild auch klasse passend…
gruß von sonja
30. January 2011 at 12:55
Das hört sich gut an. Schon bestellt.
2. February 2011 at 01:04
Ich würd’s lesen, bin aber gerade zu faul dazu.