Der gewöhnliche Leser

Der gewöhnliche Leser ist störrisch wie ein alter Dackel und launisch dazu. Bisweilen hört er auf das Feuilleton und kauft in den Buchhandlungen der Republik die Tische leer, aber manchen Liebling der berufenen Leser lässt er hartnäckig links liegen, und keiner weiß, wieso. Oft liebt er das Banale, um sich dort, wo es keiner für möglich hält, gerade dem Schwierigen, Hermetischen verliebt an den Hals zu werfen. Seine Kriterien sind unberechenbar, sein Geschmack schwankend, und er ist mindestens so ungerecht wie der liebe Gott.

Vom berufenen Leser unterscheidet ihn bisweilen (aber nicht immer) der Grad seiner literarischen Bildung, stets aber der Zweck seiner Lektüre: Anders als der berufliche Leser liest der gewöhnliche Leser einzig und allein zu seinem Vergnügen, und wie es sich für ein Vergnügen gehört, erwähnt der also Vergnügte gern seine unverhofften Entdeckungen, referiert enttäuschte Erwartungen, malt seine Sternstunden aus und warnt vor miesen Schinken, und wenn er ein amüsanter, ein temperamentvoller gewöhnlicher Leser ist, hört man ihn gern wirklich wie virtuell schwadronieren.

Seien Sie also willkommen bei gewöhnlichen Lesern.