Archiv für January 2012

Frauenbuchlaunigkeit oder Tragikomik?

25. January 2012 | von Kaltmamsell

Mariana Leky, Die Herrenausstatterin

Fantastische Elemente in Romanen sind schwierig, selbst wenn sie als magic realism konstruiert sind: In einer sonst alltäglichen und realistischen Umgebung rutschen sie leicht ins Niedliche, vor allem in Frauenromanen. Und das ist vermutlich mein Problem mit Die Herrenausstatterin von Mariana Leky. Die Ich-Erzählerin Katja hat ihren Mann verloren, erst an eine andere Frau, kurz darauf an den Tod. Ihre überforderte Psyche fantasiert sich daraufhin zwei Männer herbei, von denen der eine zumindest ein Pendant in der Realität zu haben scheint: Den gepflegte alte Herr Blank, soeben verstorben und nun auf dem Rand ihrer Badewanne sitzend, und den Feuerwehrmann Armin, dessen Auftauchen in ihrer Küche ebenso wenig erklärt wird. Der realism dabei ist, dass sie in ihrem Alltag damit problemlos durchkommt. Das funktioniert erzählerisch nur durch einen gewissen launigen (Sie merken vermutlich, dass ich überdurchschnittlich empfindlich auf deutsche Launigkeit reagiere) Frauenbuchtonfall, der allerdings auf die meisten Leserinnen den Effekt der Tragikomik zu haben scheint – darauf lässt zumindest das Echo in Blogs und Frauenzeitschriften schließen. Zu meinem großen Bedauern funktionierte das bei mir nicht: Mich machte der Roman ratlos – ein interessanter Versuch, die Verarbeitung von menschlichem Leid zu schildern, aber für mich recht beliebig. Ich bin auch bis zum Schluss nicht mit der Erzählerin warm geworden, habe sie nicht zu fassen bekommen. Ihre Wortwahl und Bildlichkeit waren immer wieder unkonventionell genug, um mich bei der Stange zu halten, aber ich bekam kein Gefühl dafür, wer diese Katja eigentlich ist.

Mit ein wenig gutem Willen lasse ich mich von der Herrenausstatterin an Peter S. Beagles A Fine and Private Place erinnern – auch darin helfen Tote einer Frau über einen Verlust hinweg.

Unendliche Weiten – über das Wissen wollen

14. January 2012 | von engl

Das neue Lexikon des Unwissens, Kathrin Passig/Aleks Scholz/Kai Schreiber

Als Kind schon war ich schwer auf drauf, dauernd auf  der Suche nach Lesestoff, koste es, was auch immer. Man mag es an  diesem frühen Bild bereits erkennen. Early Adopter, oder wie nennt man das? The Portrait of the Artist as a Young Addict? Wie auch immer, in jungen Jahren trieb mich die Not zu seltsamen Beschaffungsstrategien. Der Zufall hatte mich in einen Haushalt mit nur wenig Büchern gesperrt, mich gleichzeitig aber als eine Art Leseüberflieger gestaltet, sodass ich die zur Verfügung gestellten  Kinderbilderbücher schnell satt hatte. Möglich ist auch, dass die vielen ungelesenen Sternausgaben, die mir zum Zerfetzen in den Laufstall geworfen wurden, ihren Anteil an dieser fatalen Entwicklung hatten.

Immer wieder sehe ich mich in den folgenden Jahren die elterliche Wohnzimmereichenschrankwand nach Stoff durchforsten, noch unentdeckt und ungelesen. Meist mit wenig Erfolg. Eines der Highlights jedoch, das mir bis heute präsent ist, war ein hellblaues Babybuch, das ursprünglich wohl der Planung und Durchführung der korrekten Aufzucht meiner Person gedient haben muss. So las ich über Flaschenfütterung und Windelwäsche, Stubenwagen und Mittelohrentzündung. Lauter Dinge, denen ich erst knapp entkommen war. Sehr interessant und sicher auch hilfreich. Was ich jedoch nicht endgültig zu beurteilen in der Lage bin, da es inzwischen als sicher anzusehen ist, dass ich dieses Wissen in diesem Leben nicht mehr zur Anwendung bringen werde.

So ist das mit dem Wissen. Meistens weiß man nicht so genau, was man eigentlich damit anfangen soll. Wie und wieso ein Flaschenzug funktioniert. Oder die funktionelle Magnetresonanztomographie. Ob die Dualität durch Luzifer in die Welt gekommen ist, oder ob nicht doch jede Person ein lebendes Medizinrad ist. Und hat die EZB eigentlich die klare Aufgabe, die Finanzmärkte zu stärken? Was ist überhaupt die EZB? Wieso ist die rechte Hirnhälfte für die linke Körperseite zuständig? Warum kriegt der Zitteraal nicht selbst einen Schlag? Und wie viel wiegt wohl ein Kilogramm? Lauter Fragestellungen, die im Zweifel überhaupt nicht interessieren oder aber auf den ersten Blick unsinnig erscheinen. Aber spannend ist es mitunter trotzdem, dieses Wissen wollen. Oder etwa nicht?

Was ist das eigentlich, Wissen? Auch dieser Frage geht das neue Lexikons des Unwissens, das Ende des Jahres bereits auf meinem Bücherstapel gelandet ist, letztendlich nach. Seitdem begleitet es mich mal hierhin, mal dahin, auf die Busstrecke nach Friedrichshain oder in die schnelle Suppenmittagspause um die Ecke. Wo immer ich es gerade wiederfinde, werfe ich einen Blick hinein und lese irgendein Kapitel. Das ist kein Buch, das man durchliest oder gar ausliest, Wissen endet schließlich niemals. Wie das Universum. Obwohl: Endet das Universum nicht vielleicht doch irgendwo. Oder wenigstens irgendwann?

Es handelt sich also um ein Herumwanderbuch, eines zum immer wieder Auf- und Wiederfinden. Ein Buch für zwischendurch und unterwegs, im Grunde das perfekte E-Book. Warum krieg ich das eigentlich nicht auf meinen Kindle? Das schient mir ein Manko zu sein. (Wie ohnehin  E-Book- Formate ein wildes Feld zu sein scheinen.) Außerdem ärgere ich mich im Nachhinein bisschen, dass ich das erste Lexikon des Unwissens zwar einmal kurz in der Hand hatte, dann aber doch nicht mitgenommen habe. Pech!

Übrigens: Angefangen habe ich meine Lektüre natürlich mit dem Kapitel, das der Frage nachgeht, warum Frauen Brüste haben. Denn ungefähr auf diesem Gebiet hatte ich meine sinnlosen Studien ja seinerzeit bereits, mit diesem hellblauen Babybuch, angesetzt.