Archiv für die Rubrik ‘vor 1960’

Deutsche Nachkriegsgeschichte, bevor Guido Knopp sie erfand

16. March 2011 | von Kaltmamsell

Hans Scholz, Am grünen Strand der Spree

(Antiquarisches Buch in 50er-Arrangement, der Geflügelsalat wird explizit erwähnt.)

Auf Am grünen Strand der Spree brachte mich ein SZ-Artikel zum 100. Geburtstag von Hans Scholz: Nachkriegsberlin als Ort eines Episodenromans von 1955 klang interessant. Und nun verzeichne ich einen neunen Meilenstein in meiner persönlichen Lesegeschichte.

(Warnung: Der Wikipedia-Eintrag gleichen Titels bespricht die Fernsehverfilmung von 1960 und verrät alles.)

Der Rahmen der Handlung ist ein Treffen alter Freunde in einer westberliner Bar der früheren 50er. Der Erzähler ist ein Hans Schott, der den Auftrag hat, den aus russischer Kriegsgefangenschaft zurückgekehrten Hans-Joachim Lepsius aufzumuntern – muss dieser doch nach den Grauen der vorhergegangenen Jahre auch noch das Scheitern seiner Ehe verarbeiten.

In dieser Bar, dem Jockey-Club (unbedingt deutsch auszusprechen), ist die Stimmung zunächst ein wenig steif. Aber schon in dieser Phase erinnerte mich die Art der sprachlichen Launigkeit sehr an Walter Kempowskis Tadellöser & Wolff; im weiteren Verlauf des Romans erklingt dann auch „immerhinque!“. Die Herren haben sich als Programm vorgenommen, einander Geschichten zu erzählen. Lepsius hat die Aufzeichnungen des gemeinsamen Freundes Jürgen Wilms dabei, den er in russischer Gefangenschaft zurücklassen musste. Er liest sie vor: Polnische Naturidylle Ende der 30er wechselt sich mit der Schilderung von Grausamkeiten gegen die örtlichen Juden ab, mit derselben Detailgenauigkeit und Empathie. Unterbrochen werden diese Beschreibungen durch die Briefe der gänzlich dummen und albernen Verlobten von Wilms, die damals gerade in Italien mehrmonatige Ferien mir ihren Eltern machte.

So bitter und ernst aber ist keine der nachfolgenden Geschichten mehr. Immer wieder kehren wir in den Jockey-Club zurück, zu weiteren „Lagen“ White Lady, Henkell trocken, Canadian, Weinbrand. Mit der Stimmung werden auch die Erzählungen heiterer. Fühlte ich mich zunächst an Platons Gastmahl erinnert, entwickelt sich der Abend mehr und mehr zum Dekameron und zu den Canterbury Tales. Wir hören unter anderem von einem deutschen General stationiert in Norwegen an der Grenze zu Finnland (Offizierskasino-Rituale, Freiheitskämpfer, Jagdszenen, väterliche Toleranz), von einer schönen, klugen Frau mit aufregender internationaler Geschichte und ihrer unglücklichen jugendlichen Liebe, vom Besuch des Erzählers beim gemeinsamen Freund Koslowski in der Ostzone wenige Jahre nach dem Krieg, Historisches von den Vorfahren der schönen klugen Frau im 18. Jahrhundert, von der Suche nach einem Gefallenengrab in Kowslowskis Wohnort, und zuletzt – in den frühen Morgenstunden, als die Gesellschaft bereits bei Prärieaustern angekommen ist – eine wilde und platterotische Schelmengeschichte aus einer italienischen Pension.

Die Erzähltechniken unterscheiden sich deutlich, schließlich handelt es sich mal um handschriftliche Aufzeichnungen eines Frontsoldaten, mal um ein Drehbuch-Exposé, mal um Erinnerungen, mal um Fiktion. Die Szenen im Jockey-Club selbst sind meist reine Dialoge, aus denen sich die Handlung indirekt erschließt. Gerade diese Passagen nahmen mich mit in eine vergangene, aber sehr lebendige Welt: Nach Westberlin zwischen Kriegsende und Mauerbau. Die Menschen sind vom Krieg gezeichnet, manche körperlich (Koslowski hat ein Bein verloren, der vorbeischneiende Pianist ein Auge), jeder aber seelisch. Das Wirtschaftswunder ist eindeutig bereits ausgebrochen, doch daran partizipieren beileibe nicht alle.

Am fremdesten und gleichzeitig lebendigsten aber ist die Sprache: Hier spricht eine Generation im ihr ureigenen Jargon – und den bringt niemand zurück, auch nicht ein Guido Knopp, dessen Interviewpartner nur durch den Filter vieler Jahrzehnte erzählen können. Regelmäßig fallen lateinische Zitate, mit fortschreitender Alkoholisierung werden es immer häufiger altgriechische. Sprüche und Ansichten aus der Kaiserzeit werden durch den Kakao gezogen, in den Barszenen schlagen links und rechts One-Liner ein. Ein paar davon habe ich während der Lektüre live getwittert.

Am grünen Strand der Spree ist der einzige Roman, den der emsige Kunsthistoriker und Feuilletonist Hans Scholz veröffentlicht hat. Wie meinte der SZ-Laudator sinngemäß: Damit hatte er wohl alles gesagt, was er dazu zu sagen hatte.

Frühlings Erwachen im Bürgerkrieg

20. March 2010 | von Kaltmamsell

Ana Maria Matute, Doris Deinhard (Übers.), Erste Erinnerung

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Der Empfehlung unter meinen Gedanken zum Polnischen Reiter folgend habe ich mir Ana Maria Matutes Roman Erste Erinnerung von 1956 besorgt. Die deutsche Übersetzung (Doris Deinhard) ist seit Jahrzehnten vergriffen, so kam ich an ein schönes ausgemustertes Bücherei-Exemplar, Deutsche Verlagsanstalt 1965 (ein Hoch auf das Internet – noch vor 15 Jahren hätte ich mir gut überlegt, wie wichtig mir das Buch ist und sehr vielleicht eine Suche im Börsenblatt des Buchhandels aufgegeben, wahrscheinlich aber auf die Lektüre des Buches verzichtet).

Es ist die mittägliche Sommerhitze, die sich mir am stärksten eingebrannt hat. Matute findet immer neue Vergleiche und Metaphern für die lautlose Gewalt, mit der die spanische Sonne auf die Tage eindrischt. Erste Erinnerung erzählt aus der Ich-Perspektive der 14-jährigen Matia einige Monate aus der Zeit des spanischen Bürgerkrieges. Sie lebt in der Villa ihrer feinen und landbesitzenden Großmutter, Mutter tot, Vater ist wegen irgendwas mit dem Krieg nicht da. Die Geschichte setzt ein, nachdem Matia aus einem feinen katholischen (natürlich) Internat geflogen ist, wegen Widerborstigkeit. Am meisten erzählt Matia von ihrem etwa gleich alten Vetter Borja, dessen Name nicht zufällig an das Geschlecht der Borgia erinnert – er ist ein verschlagenes Biest, von dem sich Matia dennoch angezogen fühlt.

Der Roman erzählt von den Tagen, die mit ein wenig Privatunterricht und vielen Ermahnungen unterbrochen werden, von Ausflügen an den Strand, von geheimnisvollen Palastbewohnern und den Geschichten, die man sich über sie erzählt, von angestrengten Bandenkriegen, die Mädchen natürlich ausschließen, von Landarbeitern, die einfach verschwinden und als zerschlagene Leichen unter Felswändern wieder auftauchen. Die Geschichte mäandert und entsteht erst aus den vielen Versatzstücken von Matias Wahrnehmung – die meisten Zusammenhänge sind ihr selbst nicht klar. Gerade politische oder militärische Vorgänge bleiben völlig im Vagen – wie es eben ist, wenn der Erzähler weder involviert ist noch eine Vogelperspektive einnehmen kann.

Meisterlich gezeichnet ist vor allem die Innenwelt eines Teenagers, der zwar seine Regungen und Impulse registriert, sie aber überhaupt nicht einordnen oder kanalisieren kann und sich dadurch als hilfloses Opfer seiner Affekte fühlen muss. Matia weiß bis zum verheerenden Ende schlicht nicht, wie ihr geschieht.

Erste Erinnerung ist der erste Teil von Matutes Trilogie Die Krämer. Den zweiten Teil, Nachts weinen die Soldaten, habe ich umgehend bestellt. Wieder im Internet-Antiquariat.

Die Briefe der Anderen

7. March 2010 | von engl

Herzzeit, Ingeborg Bachmann, Paul Celan

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Wer schreibt heute noch Briefe, mit der Hand, und lässt sie von der Post transportieren? Ich so gut wie gar nicht, nicht mehr. Ich kann mich aber erinnern, dass ich das früher einmal getan habe. Viele Briefe sogar, seitenweise. Neulich habe einen ganzen Stapel davon zurückerhalten. Von meiner Cousine, die sie über Jahrzehnte hinweg aufbewahrt hat. Offensichtlich hält sie sie für etwas Besonderes. Ich kann das nicht beurteilen, ich kann mich auch kaum erinnern. Und ich habe mich noch nicht getraut, einen Blick hineinzuwerfen.

Ich weiß einfach nicht, ob ich die Briefe dieser Fremden, etwa 17jährigen einfach so lesen darf. Schließlich gibt es ein Briefgeheimnis.

Die Post der Anderen bekommt man normalerweise nicht einmal zu Gesicht, schon gar nicht ihre Briefe. Ausnahmen gibt es nur bei bekannten Persönlichkeiten, deren zufällige Nachlässe jahrzehntelang in irgendwelchen Archiven aufgehoben werden. Bis sie dann in Buchform erscheinen. Auch da weiß ich manchmal nicht so recht.

Warum den Briefwechsel zwischen Ingeborg Bachmann und Paul Celan lesen? Ihre Liebes- und Streitbriefe, Höflichkeits- und Geschäftspost, Telegramme, Karten und Entwürfe, entstanden zwischen 1948 und 1961. Zwei längst Gestorbene, beide einen ganz eigenen, einsamen Tod. Alles mehr oder weniger privat, wenn man das Leben und Schreiben berühmter Dichter als privat betrachten möchte. Abschied und Wiedersehen, Hoffen und Warten, alles immer nur Versuch. Das Leben und Dichten der Anderen.

Diese Vokabeln und diese Welt!

Geht mich das etwas an? Muss mich das interessieren, weil die beiden heute zu Recht als herausragende Gestalten der deutschen Nachkriegsdichtung gelten?

Es gibt zwei Arten, dieses Buch zu lesen, eine davon ist die literaturwissenschaftliche. Mit einem ausführlichen Apparat versehen, Kommentar, Nachwort und verschiedene Register, ein editorischer Bericht, ausführliche Stellenkommentare, Siglen und eine nützliche Zeittafel, ist diese Version gut bedient.

Man kann aber auch einfach nur die Briefe lesen. Und genau das sollte man tun. Weil man sonst wunderbar wahre Sätze verpasst.

Nichts ist wiederholbar, die Zeit, die Lebenszeit hält nur ein einziges Mal inne, und es ist furchtbar zu wissen, wann und für wie lange.

Und die Tatsache, dass der wohl wichtigste Brief zwar geschrieben, aber am Ende nie abgesandt wurde.

Joseph Wechsberg, Gerda v. Uslar (Übers.),
Forelle blau und schwarze Trüffel

14. February 2010 | von Kaltmamsell

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Natürlich habe ich mich ebenso wie Sie gewundert, dass es sich um eine Übersetzung handelt. Doch als es bereits in der ersten der 17 Geschichten des Buches hieß, der Professor Internist habe im „neunten Distrikt“ Wiens gewohnt, verschwand die Illusion der Originalsprache – auch Anfang des 20. Jahrhunderts, als diese Szene spielt, war Wien in Bezirke unterteilt. Die jemand auf Englisch sehr wahrscheinlich „districts“ nennt. Das ist aber zum Glück die Stelle, die am deutlichsten als Übersetzung auffällt; sonst liest sich die autobiographische Vignetten- und Anekdotensammlung des Herrn Wechsberg wie ein deutsches Original.

Er wäre heute sehr wahrscheinlich ein Foodblogger, der 1907 geborene Herr Wechsberg, noch dazu ein guter. Und so musste ich bei der Lektüre von Forelle blau und schwarze Trüffel (erschienen 1953) sehr an das hoch geschätzte Büchlein von Herrn Paulsen denken. Joseph Wechsberg beginnt bei seiner Kindheit und der großen Abneigung gegen jegliche Nahrungszufuhr, mit der er seinen Eltern damals Sorgen bereitete. Später entdeckte er das Essen zu unserem Glück als Leidenschaft. Und so nahm er mich zunächst mit zu dem sonntagsmittäglich gedeckten Tafeln der besseren Wiener Gesellschaft. Ich zwinkerte Friedrich Torberg zu – der diese Szenen allerdings erheblich derber beschreibt.

Die Speisen seiner Studienorte Prag und Paris sind eigene Kapitel wert, später einzelne Lokale oder Speisen vor allem in Frankreich – immer aufgehängt an persönlichen Erlebnissen und den damit verbundenen Menschen, immer in angenehmstem Plauderton. Joseph Wechsberg nimmt seine sinnliche Wahrnehmung ernst, nicht nur beim Schmecken. Dem entsprechend werden Personen eingeführt, zum Beispiel:

Monsieur Raymond Thuilier war ein freundlicher, schnurrbärtiger Franzose, der aussah, als habe er soeben etwas sehr Angenehmes über sich gehört.

Am besten hat mir das Kapitel über die Bouillabaisse gefallen. Darin schildert Wechsberg, wo er die beste so benannte Fischsuppe seines Lebens gegessen hat: „Auf dem Vorderdeck der ‚Azay-le-Rideau‘ (…), als sie im Mittelmeer kreuzte.“ Zubereitet hatte sie „Étienne-Marcel, der pergamentgesichtige Zimmermann an Bord der ‚Azay-le-Rideau‘.“ Wechberg verdiente sein Geld auf diesem drittklassigen Kreuzfahrtschiff als Bordmusiker. Die sonstige Besatzung bestand aus Griesgramen, die sich in Anstellungen auf Luxusschiffen etwas zuschulden hatten kommen lassen, und nun auf dieser „schwimmenden Teufelsinsel der Gesellschaft“ arbeiten mussten. In vielen Details beschreibt Wechsberg, wie Étienne-Marcel seine Bouillabaisse zubereitete, nicht nur auf dem Schiff, sondern auch in seinem Zuhause in Marseille. Ich hätte sie nach der Lektüre des Kapitels nachkochen können – stünde nicht am Anfang der Zubereitung das Gebot, nicht etwa frischen Fisch zu verwenden, sondern allerfrischesten Fisch, buchstäblich direkt aus dem Meer. München – Meer?

Am ausführlichsten schildert Joseph Wechsberg eine Reise im Südwesten Frankreichs auf der Suche nach dem idealen Trüffelgericht sowie die Reise entlang aller damaligen Drei-Michelin-Stern-Lokale Frankreichs – inklusive Zubereitungsart der Spezialitäten, Beschreibung der Küchen und Nennung der bemerkenswertesten Weine.

Forelle blau und schwarze Trüffel hat mich in eine vergangene Epoche des Reisens und Essens (und der Verwendung des Worts „vorzüglich“) mitgenommen, ich fühlte mich wie in einem amerikanischen Film gleich nach dem Krieg. Nebeneffekt: Ich habe mir ganz fest eine Fressreise durch Frankreich vorgenommen.

Fast bis auf den Mir Samir

2. January 2010 | von Modeste

Eric Newby, Ein Spaziergang im Hindukusch

Zu den charmanten Seiten von Engländern gehört der Sinn für nutzlose Dinge und Tätigkeiten. Wo die Deutschen, hat man den Eindruck, vom Reisen eine Art Ertrag erwarten, in Form von Bildung beispielsweise, in Bräune oder aber in der schwer fassbaren Münze der Spiritualität, reicht es den Briten (zumindest ihrem schreibenden Teil) offenbar, unterwegs gewesen zu sein, dort Erfahrungen gemacht zu haben, die ihnen daheim entgangen wären, und auf diesem Unterschied, nehme ich an, beruht der immense Qualitätsvorsprung der englischsprachigen Reiseliteratur vor der deutschen. Zwar gibt es auch in deutscher Sprache angenehme Ausnahmen. So hoch allerdings wie die zu recht sehr berühmte Schilderung einer Reise durch den Hindukusch von Eric Newby ragen aber auch die deutschen Spitzen selten, und dass ich nicht auf der Stelle aufgebrochen bin, gleichfalls ohne jede Kenntnis des Bergsteigens in Zentralasien den Mir Samir, einen sechstausend Meter hohen Berg, zu erklimmen, lag einzig an der derzeit etwas unruhigen Lage vor Ort und an meinem Job.

Indes ist die politische Lage in Afghanistan offenbar schon immer etwas prekärer, und auch Newby war vor seiner 1956 keineswegs berufslos. Das Telegramm an seinen Mitreisenden Hugh Carless mit dem Wortlaut „CAN YOU TRAVEL NURISTAN JUNE“ beendete vielmehr eine zehnjährige Karriere in einem Londoner Modesalon, in dem Newby als eine Art Werbefachmann tätig war, und man würde wünschen, mehr von dieser sehr, sehr amüsanten Welt zu hören, wenn nicht die anschließenden Schilderungen eines kurzen Trainings der Kunst des Bergsteigens in Wales (!) und die sodann erfolgte Abreise über Istanbul Richtung Afghanistan nicht noch kurzweiliger wäre.

Natürlich klappt nichts. Schon auf der Hinfahrt wird ein Beduine überfahren. Das Wasser ist verkeimt. Das Essen schlecht. Newby und Carless haben die ganze Zeit Durchfall, und mangels Alternativen liest Newby immer wieder “Der Hund von Baskerville”. Es ist zudem wahnsinnig kalt, die Schuhe der Reisenden erweisen sich als ziemlich ungeeignet für die extremen Gegebenheiten vor Ort, und die Bewohner des Hindukusch lieben, schildert Newby, Reisende nicht. Nicht einmal die angeheuerten Führer machen einen auch nur halbwegs vertrauenswürdigen Eindruck, und dass die beiden Reisenden heil aus dem Land wieder herausgekommen sind, wirkt eher wie ein Zufall. Dabei gibt es durchaus Abstufungen des Unangenehmen zwischen den Angehörigen verschiedener Stämme vor Ort, die teilweise schon immer sehr, teilweise aber erst seit einer Generation ein bisschen muslimisch sind, aber zumindest latent gewalttätig wirken fast alle.

Einige Exkurse über die Geschichte des Landes, die verschiedenen Stämme und Sprachen sind, wenn auch weniger raumgreifend, der Vorgehensweise des ohnehin stets sehr präsenten Robert Byron ähnlich, nicht ungeschickt eingeflochten. Kaum jemals doziert Newby, stets kehrt er nach kurzen Schleifen zurück zur Reisegruppe, die eine beachtliche Strecke durchquert, wie die eingeheftete Karte ausweist. Menschen, die sich mehr als ich für die Natur in exotischen Ländern interessieren, kommen vermutlich auch auf ihre Kosten, und dass die Besteigung des Mir Samir einige hundert Meter unter dem Gipfel scheitert, bildet eine reizende Arabeske der Sinnlosigkeit, die Newby indes kaum zu erstaunen und auch nicht besonders zu enttäuschen scheint.

Zu guter Letzt: Die deutsche Übersetzung von Matthias Fienbork ist gelungen. Der Umschlag der “Anderen Bibliothek” dagegen außerordentlich lieblos und scheußlich.

James Krüss: Henriette Bimmelbahn und ihre Freunde.

27. October 2009 | von Isa

Henriette heißt die nette,
alte, kleine Bimmelbahn.
Henriette, Henriette
fuhr noch nie nach einem Plan.

Henriette steht so lange
auf dem Bahnhof, wie sie mag.
Und so steht sie dort auch heute,
an dem schönen Sommertag.

Und alle Kinder steigen ein und machen einen Ausflug, und abends bringt Henriette sie alle wieder zurück nach Hause.

Doch die alte Henriette
ruckelt müde, zuckelt matt,
bimmelt leise ihre Weise
Und rollt heimwärts in die Stadt.

Vier Gedicht-Geschichten in einem Band: Der kleine, knallrote Doppeldecker Clipperstorch hat früher immer die Post ausgeflogen, steht jetzt aber nur noch im Schuppen herum. Eines Tages befreit er sich daraus und fliegt eine Runde, und da finden alle Großenhainer, er solle wieder die Post ausfliegen. Der Doppeldecker freut er sich, und die Großenhainer auch.
Die ganz besonders nette Straßenbahn möchte mal woanders langfahren als immer nur im Kreis und fährt eines Tages auf ein totes Gleis. Und weil sie so nett ist, nimmt sie alle mit, die am Wegesrand stehen und mitmöchten.
Der blaue Autobus schließlich gibt sich alle Mühe, nicht den Pudel Ottokar totzufahren, der immer kläffend vor ihm herumspringt.
Und natürlich ist das wieder alles ganz zauberhaft und charmant und vor allem: so schön ohne jeglichen pädagogischen Zeigefinger. Keine umfangreiche Geschichte, es passiert nicht viel, das Reimen hat James Krüss ebenso drauf wie den Rhythmus, und dann ist das alles wirklich schön illustriert. Es kann so einfach sein.