Modeste

1. Du steckst in der Welt von Fahrenheit 451, welches Buch möchtest Du sein?

Vielleicht Hugo von Hoffmannsthal, Der Tor und der Tod. Dabei sind die Schwächen dieses Buches Legion, der Stil kippt manchmal fast ins Süßliche und sein Eklektizismus stößt mit dem Kopf locker gegen die Stratosphäre. Der Verführung, die von dieser klingenden Melange von Schönheit, Sinken und Dämmerung ausgeht, kann ich mich trotzdem nicht entziehen. Die Angst, auf den Oberflächen des Seins letztlich am Lebendigen zu versagen, die halsabschnürende Furcht vor den scharfen Schatten des Nichts, hat in diesem schmalen Bändchen, Insel-Bücherei Nr. 28, einen Ausdruck weichen, goldenen Lichts gefunden, den ich vielleicht gerade seiner Schwächen wegen liebe.

2. Warst du je in eine Figur aus einem Buch verknallt?

Aber selbstverständlich. In Lord Henry Wotton zum Beispiel. Oder in Mr. Darcy. Im Allgemeinen in das, was jeweils gerade nicht zur Verfügung stand.

3. Welches Buch hast du zuletzt gekauft?

Von Gabriel García Marquez Der Herbst des Patriarchen. Ich habe die spanischsprachige Literatur erst spät entdeckt und lese mich jetzt betäubt und beeindruckt einmal quer durch den Magischen Realismus. Dann Vicki Baum Menschen im Hotel. So etwas würde ich gern einmal herstellen. Ich halte nicht viel von Kunstprosa und fasse, nicht nur aus diesem Grunde, gerade eine manifeste Abneigung gegen Verena Rossbachers Verlangen nach Drachen. Ein abscheuliches Buch.

Gut gefallen hat mir Iris Hanikas Treffen sich zwei, eine Kreuzberger Liebesgeschichte zwischen einer hysterischen Galerieassistentin und einem Systemberater, und vielleicht liegt es gerade an der Erdung in einem unromantischen Milieu und sehr alltäglichen Menschen, dass die Beschreibung der Liebe nicht süßlich, sondern greifbar, sichtbar und wunderbar nicht zuletzt erscheint. Gekauft außerdem: Eduard von Keyerling Dumala und Ulrich Raulff Kreis ohne Meister.

4. Welches Buch hast du zuletzt gelesen?

Iris Hanikas Treffen sich zwei und Ulrich Raulffs Kreis ohne Meister über das Nachleben des George-Kreises nach dessen Tod. Ich bin mir nicht ganz sicher, was ich davon halte, aber gelesen habe ich es gern.

5. Welches Buch liest du gerade?

Verlangen nach Drachen, und, bei Gott und allen Heiligen: Es ist ein mühsames Brot. Ich möchte an dieser Stelle und aus Anlass dieses Werkes eingehend vor den Literaturempfehlungen des ZEIT Feuilletons warnen. Ich begehe den Fehler immer wieder, etwas dort Empfohlenes zu kaufen, und die Quote angenehmer Erwerbungen ist keineswegs höher als bei zufälliger Auswahl nach Titelbild und Autorenphotographie.

6. Welche fünf Bücher nähmst du mit auf eine einsame Insel?

Fünf ist bitter. Man kennt ja die Prozedur vor dem offenen Koffer – nur zwanzig Kilo Gepäck und etwas anzuziehen braucht man ja auch noch. Wählen wir also aus:

1. Die Buddenbrooks natürlich. Immer wieder gerne. Wie der Tod die Konsulin Kröger bricht. Was habe ich über Christian Buddenbrook gelacht, mit Toni, dieser Verkörperung fehlgeschlagener guter Absichten, gelitten, dem Konsul Thomas bei der Anstrengung zugesehen, die Fasson zu wahren, und am Ende stirbt es sich dann doch, weil man nicht mehr zubeißen kann. Nur Hanno, den mag ich nicht, und hätte ihn bestimmt gekniffen in der Schule, Weichling, den.

2. Djuna Barnes, Nightwood, meinen magischen Gesang, Müdigkeit und Untergang. Oder doch die Gräfin Reventlow, Von Paul zu Pedro, jenes kleine charmante Büchlein über die Liebe, das ich mit 19 einmal geschenkt bekam.

3. Natürlich Theodor Mommsens Römische Geschichte, diese brillante, unterhaltsame, selbst in den ödesten Teilen zu Ackerbau und Kriegsführung nie langweilige Schilderung des Aufstiegs Roms. Mit Mommsen auf dem Nachttisch werden Generationen von Schülern von einer großen Karriere als Althistoriker geträumt haben – leider scheinen die Träume nicht sehr erfolgreich gewesen zu sein: Die meisten Althistoriker schreiben sturzlangweilige Werke. Ähnlich amüsant zur Neuzeit ist dann wohl nur der geschätzte Friedell, der wiederum der exakten Wissenschaft weniger zuzurechnen ist, aber das kann mir als Leser zum Glück ja egal sein.

4. Proust. Die Suche nach der verlorenen Zeit. Daran lese ich seit Jahren, ein Buch, in dessen ebenso eleganten wie abseitigen Räumen man sich verlieren kann, aber zum sich Verlieren braucht man Zeit und Ruhe. Eine einsame Insel ist da genau das Richtige, um Sodom und Gomorrha zu verlassen und die verlorene Zeit wiederzufinden.

5. Und Eichendorffs Taugenichts natürlich, eine heitere, runde Unschuld, ein vormoderner Sehnsuchtsort, in dem die Zitronen blühen, die Wasser am Mühlbach rauschen und am Ende bekommen sie sich noch dazu.

Ja, und dann stehe ich vor dem Koffer, mein Reisegepäck geht kaum noch zu, hinter mir liegt ein Haufen Bücher – und muss wohl daheim bleiben. Ach, denke ich – was soll ich anfangen ohne den geliebten Doderer. Joseph Roth und Perutz, Virginia Woolf, Kleist, die französischen Naturalisten, denen ich doch gerne auf der Insel einen kleinen Altar aus Sand baute, mit Muscheln drauf. Aber der Koffer ist zu.