Dörfliches Elend

6. March 2010 | von

Patrick Findeis, Kein schöner Land

100306_Findeis

Sein Text hatte mir von allen Bachmann-Kandidaten 2008 am besten gefallen: Allein schon der Schauplatz heutiges Dorf, und dann die schlichte Sprache. Es war also nur eine Frage der Zeit, bis ich endlich den ganzen Roman lesen würde, dem er entnommen war.

Die Langstrecke hielt, was der Ausschnitt versprochen hatte: Dichtheit und Unverblümtheit, die weder tümeln noch romantisieren noch lamentieren. Ich hatte dieses süddeutsche Dorf sofort vor Augen, in dem fast keine Landwirtschaft mehr betrieben wird, in dem aus jeder stillosen Fassade, aus jedem ungenutzten Schuppen, aus jeder angemoosten Eternitplatte, aus jeder handrenovierten Kapelle Leere und Sinnlosigkeit sprechen. Diese Details brauchte Findeis gar nicht zu erwähnen – ich dachte sie mir automatisch dazu, ebenso wie die Läufer im PVC-ausgelegten Korridor und das Eichengestell der Deckenlampe im Jugendzimmer.

Findeis zoomt sich aus einer Ferne heran: Im ersten Kapitel tauchen noch spanische Ortsnamen auf, jemand dort findet zwei Telefonnummern aus dem Dorf in seinem Adressbuch. Die zweite Ferne ist eine Stadt, von der aus ein zweiter Jemand sich auf den Weg zum Dorf macht. Mit ihm treffen auch wir ein.

Zunächst wirkt die Umgebung, in der erzählt wird, nur etwas langweilig – Land ohne Landleben halt. Dann kommen die Figuren immer näher, die jetzigen Enddreißiger werden ab ihrer frühen Kindheit, wenn auch nicht durchgehend chronologisch erzählt. Vier Männer aus diesem Dorf bilden das Gerüst der Handlung, nur einer hat in der Gegenwart der Erzählung noch regelmäßig Kontakt dazu. Die Geschichte entfaltet sie und ihre Fluchtversuche, webt das Netz der menschlichen Verbindungen: Die Dorfbewohner, die erst nach dem Krieg als Flüchtlinge hierher gekommen sind und nie ganz akzeptiert wurden; der Kleinunternehmersohn, der aufs Gymnasium durfte und seinen Grundschulfreund dadurch einsam zurückließ. Alle Figuren des Romans sind verlassen, ihre schlichten Versuche, sich Aussichten und Zukunft zu schaffen, scheitern wieder und wieder, bis sie mürbe von Unglück sind. Auf ganz banale Weise.

(Allerdings interessiert mich sehr, wie jemand das Buch liest, der keine süddeutschen Dörfer samt ihrer Jugend kennt.)

3 Responses to “Dörfliches Elend”

  1. Jenny Says:

    Ich stamme zwar nicht gebürtig aus süddeutschen Dörfern, habe jedoch gut dreiviertel meines bisherigen Lebens auf jenen verbracht und bin durch diese Vorstellung auf ein wirklich interessant klingendes Buch aufmerksam geworde. Ich werde es auf jeden Fall lesen! Vielen Dank für die interessante Vorstellung!

  2. Afra Evenaar Says:

    Oh wie reizt mich dieses Büchlein. Danke fürs Neugierigmachen.

  3. Anonymous Says:

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