Writer goes Common Reader

21. August 2010 | von

Nick Hornbys The Complete Polysyllabic Spree – The Diary of an Occasionally Exasperated But Ever Hopeful Reader von 2004 gehört unbedingt hierher. Darin tut der britische Schriftsteller nämlich genau das, was wir Common Reader hier tun: Er schreibt als Leser über Bücher. Allerdings nicht buch- sondern monatsweise. Das umwerfend Neuartige daran sei, so erklärt Hornby im Vorwort, dass er nicht etwa sachliche und möglichst objektive Rezensionen schreibe, sondern sich als Person sichtbar mache, also zum Beispiel beschreibe, wie er überhaupt an das Buch geraten sei, wann er es gelesen habe, was es ihn ihm auslöse, dass er zum Beispiel durchaus erwähne, dass Bestsellerautor Robert Harris sein Schwager ist (diesen Hinweis bringt er in der Folge fast jeden Monat unter, sei die Anstrengung auch noch so groß). „Willkommen beim Bloggen!“, möchte ich Hornby nachträglich zurufen.

Folge ich also seinem Beispiel. Leider findet sich in meiner Verwandtschaft keine einzige Schriftstellerin, kein einziger Autor, aber – hey! – bei mir hat schon mal eine Übersetzerin von Weltruhm übernachtet, und ich schreibe mich mit diversen Kochbuch-Bestsellerautoren und -autorinnen, zudem bin ich mal mit einer Bachmannpreisträgerin um die Wette geschwommen. Künftig werde ich darauf achten, auf einen dieser Umstände regelmäßig zurückzukommen. Angela Leinen führt in ihrem Wie man den Bachmannpreis gewinnt Nick Hornbys Kolumnen „Stuff I‘ve been reading“ (deutsch: Mein Leben als Leser, Köln 2005) als Quelle auf, die er für das Magazin The Believer geschrieben hat. Nick Hornby mag ich, und mich interessierte, wie er wohl übers Lesen schreibt. Herausgefunden habe ich das in meinem Brightonurlaub.

Hornby tut das vor allem gut und sehr britisch selbstironisch. Deshalb störte es mich keineswegs, dass ich viele seiner Urteile nicht teilte (Ich bitte Sie: Der Mann verstand nicht, was an Eats, Shoots & Leaves lesens- oder auch nur schreibenswert sein sollte.). Aber wie bei jedem guten Blogger erfahren wir in seinen monatlichen Leseberichten, wie es ihm gerade so geht, wie und wo er Bücher kauft, aufbewahrt und liest. Einen großen Einfluss hat seine Fußballleidenschaft (Arsenal), einen weiteren haben seine zwei, im Fortgang des Buches dann drei Söhne, von denen einer Autist ist. Und natürlich kennt er erheblich mehr Schriftsteller und -stellerinnen persönlich als unsereiner – was sein Lesen ebenfalls beeinflusst. (An einer Stelle schildert er seinen Konflikt, wie er seinen Söhnen anerziehen soll, das Rauchen ganzganz böse ist, wo er selbst doch Kurt Vonnegut nur deshalb persönlich kennengelernt hat, weil sie beide rauchen.)

Jede Kolumne beginnt mit der Aufzählung der Bücher, die er im zurückliegenden Monat gekauft hat, und der Bücher, die er gelesen hat. Angela Leinen hat von Hornby die Klage über den unverhältnismäßig hohen Anteil an Romanliteratur übernommen, der sich um Romane und Schriftsteller dreht – wobei Hornby den so bemängelten (z.B. Saturday von Ian McEwan) gleichzeitig hohe Meisterschaft zugesteht. Da er selbst Schriftsteller ist, stellt Hornby fast monatlich eherne Gesetze des Bücherschreibens auf (z.B. Serienkrimis beleidigen jeden Leser, der die Vorläufer nicht kennt), um sie später anhand von Gegenbeispielen aus seiner jüngsten Leseerfahrung zu widerrufen. Sehr sympathisch. Ich wiederum fand mich am besten verstanden in seiner Wut über Klappentexte oder Vorwörter, die das Leseerlebnis verderben. Wie schrieb die Übersetzerin von Weltruhm, die schon mal bei mir übernachtet hat, doch kürzlich:

Wie oft habe ich mir nun schon vorgenommen, keine Klappentexte zu lesen? Waah! Nützt es was, wenn ich hier nichts ausplaudere und Euch sage, „lest den Klappentext nicht“? Tut Ihr das dann wirklich nicht? Natürlich liest man den Klappentext, verdammte Axt! Wie mich sowas aufregt! Mann!

Nick Hornby zürnt speziell den Klappentext- und Einführungsschreibern von literarischen Klassikern:

I have complained in this column before about how everyone wants to spoil plots of classics for you. OK, I should have read David Copperfield before, and therefore deserve to be punished. But even the snottiest critic/publisher/whatever must presumably accept that we must all, at some point, read a book for the first time. I know that the only thing brainy people do with their lives is reread great works of fiction, but surely even James Wood and Harold Bloom read before they reread? (Maybe not. Maybe they’ve only ever reread, and that’s what separates them from us. Hats off to them.) Anyway, the great David Gates gives away two to three major narrative developments in the very first paragraph of my Modern Library edition (and I think I’m entitled to read the first paragraph, just to get a little context or biographical detail)

Ich könnte noch warnen, dass die Lektüre dieses Buches eine deutliche Verlängerung jeder Buchwunschliste nach sich zieht – aber das ahnten sie eh.

2 Responses to “Writer goes Common Reader”

  1. Isa Says:

    Dieser Hornby ist ein kluger Mann, scheint’s. Vielleicht sollte ich doch endlich mal irgendwas von ihm lesen.

  2. Vorspeisenplatte » Blog Archive » Journal Samstag, 21. August 2010 Says:

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